An diesem Samstag will die CDU bei einem Kleinen Parteitag grundsätzlich werden – wofür soll sie künftig stehen? Wolfgang Schäuble über Seenotrettung, Sprachverbote und die USA, die nicht mehr als Vorbild taugen.
Man könnte meinen, das schlösse sich gegenseitig aus. Das tut es nicht, aber die Definition ist schwierig. Im Kern geht es dem Konservativen um das Wissen, dass eine Gesellschaft freiheitlich nicht zu organisieren ist, wenn es nicht etwas gibt, das die Menschen verbindet. Etwas, das dazu führt, dass sie sich füreinander verantwortlich fühlen. Das ist unverändert die Grundlage für eine stabile Demokratie.
Natürlich kann Patriotismus etwas sein, das die Menschen zusammenhält. Eines der Probleme der modernen Welt ist die Entgrenzung. Bezogen auf die ganze Welt entwickeln wir dieses gemeinsame Verantwortungsgefühl füreinander nicht ausreichend. Oder schauen Sie sich die Übertreibungen der globalisierten Finanzmärkte an.
Ich bin kein Freund der Revolution, sondern der allmählichen, schrittweisen Entwicklung. Dafür muss man aber auch wissen, in welche Richtung man will. Und um Menschen zu überzeugen, ist es wichtig, dass man irgendwann eine Entscheidung trifft. Das hat die Ampel jetzt getan. Die Grünen sind unsere politischen Gegner, nicht unsere Feinde. In mehreren Bundesländern koalieren wir mit ihnen. Die Grünen haben das Problem der ökologischen Nachhaltigkeit früher erkannt als meine Partei. Sie haben aber eine große Herausforderung. Für sie gilt Münteferings Satz „Opposition ist Mist“ ganz offensichtlich nicht.
Und ich finde es auch sehr bedenklich, wenn in Deutschland eine junge Wissenschaftlerin an der Humboldt-Universität nicht einen Vortrag halten kann, in dem sie sagt, dass es in der Biologie zwei Geschlechter gibt. In den USA nennt man das Cancel Culture. Die Polarisierung im Land ist dadurch entstanden, dass zu lange eine Politik betrieben wurde, die sich selbst als alternativlos bezeichnet hat. Ein wachsender Teil der Bevölkerung hatte dadurch das Gefühl, in der Debatte mir ihrer Meinung nicht vorzukommen. Was wir brauchen, sind seriöse politische Debatten, die die unterschiedlichen Positionen klar herausarbeiten. Da gilt es auch, ehrlich zu sein und zu sagen, wo Dilemmata liegen.
In den USA gibt es sehr besorgniserregende Entwicklungen. Dort werden Wahlen und auch die Justiz von manchen nicht mehr respektiert – siehe Trump. Ein Vorbild für uns kann das nicht sein.
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