Der Schriftsteller und Bestsellerautor Uwe Timm schreibt in seinem neuen Buch „Alle meine Geister“ über sich, das Kürschner-Handwerk und den Kulturwandel.
„Mörder“ steht in weißen Buchstaben groß auf dem Schaufenster, als die Mutter wie jeden Montagmorgen den Laden aufschließen will. Ihr verstorbener Mann hatte aus der Kriegsgefangenschaft zurück in den Trümmern eine Pelznähmaschine gefunden und im Keller ein Kürschner-Geschäft eröffnet. So auf jeden Fall der Gründungsmythos von „Pelze Timm“.
Wenn Uwe Timm in „Alle meine Geister“ von seiner Lehre als Kürschner im Hamburg der 1950er-Jahre erzählt, ist das nicht nur ein Familien- und Entwicklungsroman. Es ist ein Buch über den Kulturwandel. Nach dem Zweiten Weltkrieg schlagen sich die Menschen durch und bauen sich etwas auf. Später müssen sie sich von einer jüngeren Generation vorhalten lassen, über ihre Verhältnisse gelebt zu haben.
Als der Ich-Erzähler in die Fußstapfen seines Vaters tritt und mit 15 eine Kürschner-Lehre anfängt, sind Pelze etwas für Reiche und das Handwerk ist eine Kunst. Exaktheit beim Arbeiten ist eine Verantwortung gegenüber den Tieren, die ihr Leben lassen mussten. Weil aber immer mehr Pelztierfarmen in großem Stil Felle liefern und Produkte ausin Kaufhäusern angeboten werden, ändert sich das.
Schon während seiner Lehre liest Timm unterm Tisch Bücher von Dostojewski und Henry Miller. Auch, wenn er nach dem Herzinfarkt des Vaters das Geschäft vor dem Konkurs rettet, macht er sein Abitur am Braunschweig-Kolleg und studiert. Philosophie statt Pelze. Das ist pekuniär zwar nicht so einträglich, moralisch aber die bessere Wahl.
Über die Hoffnungen und Wünsche der 68er hat Uwe Timm in „Heißer Sommer“ und „Rot“ geschrieben. Mit „Rennschwein Rudi Rüssel“ und „Die Entdeckung der Currywurst“ landete er Bestseller. Mit „Alle meine Geister“ ist er jetzt ganz bei seinen Wurzeln angekommen.
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