Wer den Abend durchstehen will, braucht viel Koffein: „Tannhäuser“ bei den Salzburger Osterfestspielen wird unter Andris Nelsons in Zeitlupe aufgerollt. Jonas Kaufmann ist erstmals in der Titelrolle zu erleben.
Das Allerfürchterlichste, so pflegte René Kollo zu stöhnen, sei doch der erste „Tannhäuser“-Akt. Der Lobpreis an die Adresse von Liebesgöttin Venus, in knifflig hoher Lage notiert, dies auch noch in immer neuen Anläufen, die Dauer-Exaltation bis zum rettenden „Maria!“-Ruf, und dann auch noch alles in der aufgeplusterten Pariser Zweitfassung – viele Tenöre sind da schon zur ersten Pause kurz vor dem Kolbenfresser. Es sei denn, man macht es so wie Jonas Kaufmann.
Im Großen Festspielhaus Salzburg, zur Eröffnung der Osterfestspiele, klingt das so: sehr lyrisch, sehr zurückgenommen, was Raum zur Gestaltung und zum Texttransport eröffnet. Man ist überrascht von Kaufmanns Filigranarbeit, lässt sich – abgesehen von den 50er-Jahre-Schluchzern – sogar verzaubern. Nur: Viel kommt dann nicht mehr. Kaufmann, der zu Beginn seines sechsten Lebensjahrzehnts die Checkliste der großen Heldenpartien abhakt, ist ja klug genug.
Nelsons liebt die Partitur, das merkt man. In manche Details ist er geradezu verknallt. So sehr, dass der Abend schon im Venusberg zu versickern droht. Statt Ecstasy hat das Liebesvolk dort Tranquilizer eingeworfen. Und auch sonst hängt die Deutung gefährlich durch. Zupackendes gibt’s nur bei den hingeklotzten Akt-Schlüssen. Vieles ist fein und kundig hervorgehoben, manches auch, Zeitlupe kann ein Orchester stressen, intonatorisch knapp.
Für seine ersten Osterfestspiele als Alleinherrscher hat sich Intendant Nikolaus Bachler von seiner früheren Münchner Staatsopern-Wirkungsstätte die Inszenierung Romeo Castelluccis mitgebracht . Neue Details gibt es. Doch bleibt der Eindruck eines lebenden Coffetable-Buchs: Als Fotos funktionieren Castelluccis raunende Bilder wunderbar, als Stück-Deutung sind sie kurz vor dem Totalausfall. Sängerinnen und Sänger werden zum szenischen Ornament verdammt.
Am allerweitesten in der Feinabschmeckung kommt erwartungsgemäß Christian Gerhaher, das war schon 2017 bei der Premiere in München so. Das Drama Wolframs offenbart sich allein durch sein gestisches Singen und ohne Regie. Wo Inszenierung und Dirigat fast völlig ausfallen, genießt Gerhaher alle Freiheiten, in seiner Deutungswut und Klangpuzzelei überschreitet er auch Grenzen. Das Publikum ist außer sich. Wenigstens einer riskiert hier was.
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