Luise F. Pusch ist die feministische Sprachwissenschaftlerin der ersten Stunde. Ein Gespräch über ihr spätes Coming-out und die Vorzüge des Genderns.
Wir treffen uns zum Lunch in einem Restaurant am Hauptbahnhof von Hannover, in der Luisenstraße. Luise F. Pusch lebt seit Langem in der niedersächsischen Landeshauptstadt, zweimal im Jahr hält sie sich für zwei Monate bei ihrer Frau Joey Horsley in Boston, USA, auf – und umgekehrt. Die Sprachwissenschaftlerin ist eine Legende, nicht nur in ihrem Fach: Durch ihre Impulse begann hierzulande die deutsche Sprache flüssiger zu werden, feministisch orientiert.
Als Ihr Buch damals erschien, fiel auf, dass die Literaturkritik einen großen Bogen darum machte. Sie hätte darin ebenso gut ein Memoir erkennen können, so wie die Feuilletons es Jahrzehnte später in Édouard Louis’, Annie Ernaux’ und Didier Eribons Veröffentlichungen erkannten und diese hymnisch feierten.
In der ersten Zeit der Trauer nach Sonjas Tod, im März 1976, ging gar nichts. Ich war buchstäblich fertig. Aber ich war schon seit Herbst 1975 wieder in Psychoanalyse, mein Analytiker hat mich ermutigt, dieses Buch über die Zeit mit Sonja zu schreiben. Ihm las ich die ersten Passagen vor, dann die nächsten, das war, als lieferte ich Hausaufgaben ab. Und das war gut. Er regte auch an, dass ich in Zürich eine Lesbengruppe besuche, und dort las ich Ausschnitte vor.
In der Coronazeit saß ich ja in Hannover fest. 18 Monate konnten meine Partnerin, die inzwischen meine Frau ist, und ich uns wegen der Reisebeschränkungen nicht sehen. Es war die Zeit der Lockdowns – und ich fühlte mich im Gegensatz zu vielen anderen Menschen so alleine nicht einsam. Ich war es ja gewohnt, ich war trainiert seit frühesten Kinder- und Jugendtagen, die Gesellschaft als Feind zu sehen und mit mir allein klarkommen zu müssen und auch zu können.
„Gegen das Schweigen“ endet kurz vor den aufrührerischen Jahren, die wir historisch als „Achtundsechziger“ verstehen. Diese Studentenbewegung fand für Sie offenbar nicht statt. Nein, so heißt sie nicht. Aber ja, sie ist die zentrale Figur in meinem Buch. Ich war eng mit ihr befreundet und oft in ihrer Familie eingeladen. Sie war sehr intelligent und, wie ich, anders als die anderen und faszinierte mich schon deswegen. Aber kurz nachdem wir uns angefreundet hatten, befiel mich eine Art Besessenheit, die ich vorher nicht gekannt hatte. Ich konnte an nichts anderes mehr denken als an Charlotte. Das war etwas anderes als Schwärmerei, etwas ganz anderes.
Das war 1973/74, etwa drei Jahre vor Sonjas Tod und meinem allmählichen, sehr vorsichtigen Coming-out. Wir beide verstanden den Prozess nicht als Anlass zu feministischem Protest und Widerstand, sondern in erster Linie wieder als Warnung: Das passiert mit Lesben, wenn es herauskommt. Sie werden von der Presse erbarmungslos verteufelt und in der Luft zerrissen!
Ja, können Sie. Allerdings habe nicht ich das Binnen-I erfunden, sondern ein Schweizer Journalist namens Christoph Busch. Aber ich habe es als kreative Lösung im gesamten deutschsprachigen Raum propagiert. Bis heute finde ich das Beharren von LinguistInnen nicht einleuchtend, warum das Deutsche sich auf das generische Maskulinum beschränken sollte. Dafür gibt es sprachwissenschaftlich keinen vernünftigen Grund außer dem, dass Frauen unsichtbar bleiben sollen.
Nein, Sprache ist ja immer im Wandel, es hängt an den Sprechpraxen, wie sich welches Neue durchsetzt.Ich plädiere erst einmal dafür, dass nichts wie bei einem Diktat vorgeschrieben wird. Sprache entwickelt sich, wie die deutsche Sprache seit Jahrhunderten auch.
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